Vibrierend sitzen wir in unserem neuen Daimler und tuckern gemächlich von Hamburg Richtung Berlin. Hinter der grossen Windschutzscheibe fühlt man sich ein bischen wie in einem Wintergarten auf Rädern. Hamburg liegt weit hinter uns, die Bebauung nimmt ab und die Natur nimmt zu. Doch es ist anders als in Südamerika. Die Weite fehlt. Hat man vor ein paar Jahren noch staunend auf eine Windkraftanlage an der Autobahn geschaut, so staunen wir jetzt wenn wir eine Blickrichtung ohne Windrad finden. Die Gegend ist vollgepflastert damit und nachts blinken mehr Flugwarnleuchten als Sterne am Himmel. Hat man mal ans Sparen gedacht?
Wir sparen - der Daimler verbraucht tatsächlich weniger Diesel als unser Bulli Sprit - das ist schon mal was. Dafür ist es in der Nacht viel kälter als im Bulli, der durch unsere drei Humanoid-Heizungen immer schnell kuschelig warm wurde. Und mit der Stromversorgung hapert es auch noch. In Südamerika hatten wir zwei Solarpanele und damit Kühlschrank, Laptop, Licht und mehr. Im Daimler haben wir zwar dutzende Steckdosen, aber eben keinen Strom. Als ob man in der Natur immer einen 220 Volt Anschluss findet. Hat da jemand mal ans Sparen gedacht?
Wir schauen uns die ersten Wohngegenden im Umland von Berlin an. Hübsche Ecken mit viel Wasser und Wald direkt vor der Haustür. Dennoch fühlen wir uns an vielen Orten fremd, eingepfercht und unwohl. Insbesondere wenn einem der neue Nachbar in spe noch vor der Begrüssung die Wegerechtstreitigkeiten muskelspielend und adrenalingeladen offenlegt. Nein danke - und Abflug!
Es geht weiter in Richtung Osten ganz an den Rand von Deutschland - in die Oberlausitz. Wir sind in der schönsten Zeit im Jahr unterwegs. Überall blühen die Obstbäume und Biospritmonokulturen tauchen das Land in ein saftiges Gelb. Kurz hinter Bautzen trifft uns Matthias - mit ihm hatten wir schon während unserer Reise eMail-Kontakt. Solche Momente sind interessant, kurzweilig und schön. Sorry, wir sind schon wieder weg, aber wir kommen wieder und dann verabreden wir rechtzeitig ein Treffen. Hier in der Oberlausitz besuchen wir wieder Roberto, Corina, Rafael und Jonathan. Elias geniesst es mit den Kindern zu spielen, es gibt ein tolles Asado und viel zu erzählen. Tausend Dank für Eure liebe Hilfe, den Standplatz, den Strom, das Wasser, das Essen... Zu viel um alles aufzuzählen. Nicht zu vergessen der trockene Standplatz für unseren Bulli, der hier etwas reifengeplättet in einer Scheune steht. Was nicht alles in einen Bulli passt. Wir laden um und fühlen uns danach schon etwas wohnlicher in unserem Benzi - der jetzt voll ist. Lange Abschiedszenen vom Bulli, sniff :-)
Nebenbei geht es auf Wohnortsuche. Auch hier gibt es schöne Ecken und interessante Menschen. manche bauen Topinambur an und essen es sogar. Es soll für den Menschen sehr gesund sein, verursacht nur leider starke Blähungen. Das stimmt wirklich, wir haben es probiert. Und Topinambur ist auch eine gute Alternative für die Bienen, die sich momentan nur im Mai in den Biospritmonokulturen mit Raps vollstopfen können, danach Monate lang fasten müssen, dies aber nicht können und deshalb lieber sterben, oder auswandern. Hat man da mal ans Sparen gedacht?
Das Handy klingelt. Wie ein Herrchen seinen freiheitsliebenden, schnüffelnden Hund mit der Leine auf den rechten Pfad zurückholt, werde auch ich durch die lange Leine der Arbeitsagentur in die Gegenwart zurückgezogen. Mein Fallmanager hat eine Karrieremöglichkeit für mich gefunden. Das Manager sich in letzter Zeit häufiger geirrt haben, daran hat man sich gewöhnt. Und so ist es wohl auch in diesem Fall. Klar, wer die letzten 3 Jahre an seinem Schreibtisch gesessen hat, auf einen Horizont aus alternden Aktenrücken blickte und eine Scheinwelt auf dem Computerbildschirm betrachtete, für den mag es eine Herausforderung, eine echte Alternative, sein. Aber für einen, der zweieinhalb Jahre in Freiheit durch Südamerika getingelt ist, scheint Sulzbach an der Murr erst einmal keine Alternative zu sein.
"L-bewegliche Lösungen" - schon der ins Deutsche übersetzte Firmenname verheisst grenzenlose Kreativität. Was "L" bedeutet konnte ich bis jetzt noch nicht ergründen, aber vielleicht gelingt es mir ja in einem persönlichen Vorstellungsgespräch. Darüber würde ich mich freuen, so endet jedenfalls mein formloses Anschreiben der eMail-Bewerbung. Mehr ist mir einfach nicht eingefallen. Das ist irgendwie so wie wenn man als Junge zu Weihnachten eine Puppe geschenkt bekommt - da kann man sich auch nicht richtig freuen, da springt man nicht in die Luft. Und so höre ich im Geiste schon das Murren der Sulzbacher...
Und somit endet auch dieser Bericht. Wie schon gesagt - Internet haben wir momentan sehr selten. Wir haben aber in letzter Zeit so viele liebe eMails und nette Einladungen bekommen, dass wir hier zu allen mal kurz was schreiben wollen. Wir hoffen wir haben keinen vergessen und wir werden alle eMails noch persönlich beantworten - das braucht eben nur Zeit....